464 Xxii. §. 12. Eintritt der spanischen Macht mit ihren Entdeckungen rc.
Inquisition hinabsteigt und die mit Blut bespritzten Folterwerkzeuge
schaut, wenn man die fanatischen Befehle der Regierung vernimmt,
wonach Hunderttausende ruhiger und fleißiger Unterthanen, die seit
vielen Geschlechtern im Lande wohnten, hinausgejagt werden, bloß
weil sie sich nicht zum katholischen Glauben bekennen — dann grau-
set's uns, und wir merken gleich, daß der spanische Volkscharakter,
wie er von Anfang an streng gottesdienstlich, der Geistlichkeit unter-
worfen (bigott, devot) und abergläubisch war, durch die lang andauern-
den Kämpfe mit den Saracenen bei aller Hochherzigkeit und allem
Adel zugleich fanatisch, grausam, blutdürstig geworden ist, und daß
von Spanien aus nur eine Mission mit dem Schwert zu fremden
Völkern gesandt werden wird, um sie zur Rückkehr und Unterwerfung
unter das Papftthum zu zwingen. Und schon sehen wir sie hin-
ausfahren über die unbekannten Meere, zuerst die Entdecker mit den
kleinen Geschwadern, dann die thatendurstigen und beutegierigen Aben-
teurer aus den glänzenden Flotten an die Gestade einer wiederaufge-
fundenen alten oder ganz fremden neuen Welt. Wir sehen eine Handvoll
Leute mächtige Königreiche der fernen Heiden bezwingen, wir sehen
das Christenbanner im fernsten Indien, auf China's weit entlegener
Küste, und zugleich an den entgegengesetzten Gestaden des atlantischen
und stillen Oceans in Mexico, Brasilien und Peru sich erheben. Aber
wie erhebt es sich? Nicht in dem reinen Glanz der makellosen
Wahrheit, der demüthigen Liebe, des ungefärbten Glaubens, nein auf
Leichenhügeln ist es gefestet, mit dem Blut der qualvoll Gemordeten
ist es besprengt, und Wahn und Trug, Heuchelei und Tücke, Habgier
und Grausamkeit tritt unter diesem heiligen Zeichen die schreckliche
Herrschaft an im Heidenland. Und das nennen sie Christenthum!
Und dafür preist die Kirche Gott, daß er es ihr habe gelingen lassen,
diese Heiden dem Papst und der Geistlichkeit zu unterwerfen! Aber
Gottes Wege sind immerdar heilig. Was jene Heiden litten von den
katholischen Unterdrückern, das war nichts Anderes als ein spätes Ge-
richt über lange getragene schwere Frevel, die sie selbst an früheren
Geschlechtern begangen.
Wunderbar, wie der Herr so ganz kurz vor der Reformationszeit
plötzlich den Schleier wegzog und lang verschlossene Thüren aufthat,
und die erstaunte Christenheit hineinschauen ließ in eine Reihe neuer
Welten, von deren Dasein sie zum Theil noch keine Ahnung gehabt.
Zwar daß Ostindien da sei, wußte man, aber seit 1000 Jahren hatte
kaum ein Europäer es gesehen. Daß von Afrika mehr da sei als die
Küste am Mittelmeere, wußte man auch, aber noch nie hatte ein Euro-
päer seine übrigen Grenzen erkundet. Von Amerika vollends, nament-
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T6: [Insel Stadt Meer Hafen Handel Hauptstadt Land Küste Einw. Halbinsel]]
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Extrahierte Ortsnamen: Spanien Indien Brasilien Peru Heidenland Gottes Ostindien Afrika Amerika
Xxii. §. 12. Eintritt der spanischen Macht mit ihren Entdeckungen »c. 465
lich dem Mittlern und südlichen, war noch nie eine Kunde nach Europa
gekommen. Da trieb zuerst seit dem Beginn des 15. Jahrhunderts die
Forschbegier, die Ruhmsucht, der Golddurst die kühnen Entdecker aus
Portugals Häfen die west-afrikanische Küste hinab, bis sie (1471) die
Bucht von Guinea und (I486) durch Diaz das Cap der guten Hoff-
nung erreichten. Aber von Allem, was die Portugiesen in Afrika fanden,
'' interessirte sie nichts als das Gold. Die elenden Haufen der nackten
Wilden überließen sie auch ferner sich selber. Nur an den Küsten von
Guinea und Mozambique legten sie später ihre Niederlassungen
an und bauten daselbst ihre Städte mit Kirchen und Klöstern. Ihr
eigentliches Ziel war aber ein anderes: das reiche Wunderland Ost-
indien. Im Jahr 1498 erreichten sie es. Da trat ihnen eine viel-
tausendjährige Cultur mit allem Schimmer des äußern Glanzes ent-
gegen. Aber die Grundlagen dieser alten Heidenstaaten waren längst
schon morsch geworden. Mohamedanische Waffen hatten die meisten
indischen Radschas besiegt, und eine schwere religiöse und nationale
Zerrüttung hatte um sich gefressen wie ein Krebs, und die innersten
Säulen des uralten Domes indischer Herrlichkeit zerstört. Da kamen
die Portugiesen. Nicht zogen sie mit Kriegsheeren in das Innere des
Landes, aber die Küsten unterwarfen sie sich, die Häfen von Malabar,
von Malacca, von Sumatra und Java öffneten sie sich, ihre Forts und
Factoreien erhüben sich aus den Molukken, wie auf Ceylon und den
Küsten von Ormus. Von Goa aus herrschten ihre kühnen und klugen
Vicekönige über ein weites Jnselreich von den Sunda-Inseln und Ma-
cao bis nach Socotara. Mit den Kriegsleuten zogen die Mönche aus,
um die unterworfenen Heiden zu taufen, und neben den Regierungsge-
bäuden und Handelsmagazinen erhoben sich die christlichen Kirchen und
die Klöster der Franciscaner. Wie viele Thaten der Finsterniß aber
auch bei dieser Ueberwältigung friedlicher Völker und dem Bekehrungs-
zwang fanatischer Priester verübt sein mögen, so fallen doch die portu-
giesischen Verschuldungen in Ostindien weit weg gegen das schreck-
liche Nachtstück, welches die spanische Eroberung der amerikanischen
Länder vor uns aufrollt. Am Ende des Jahres 1492 nahm der erste
Entdecker, der hoch berühmte C o l u m b u s, die Insel Haytioderhispantola
in Besitz und fand daselbst etwa eine Million Menschen, schwach und
gutmüthig, die keinen Widerstand leisteten, von denen nichts zu besor-
gen war. Und am Ende des Jahrs 1508 fand man keine 60,000 mehr
übrig. Wo waren die 940,000 geblieben? Sie waren alle umgekom-
men, verhungert, zermartert, aus den Aeckern, in den Bergwerken, bei
den Bauten, in den Gefängnissen der Spanier oder an den eingeschlepp-
ten Krankheiten zu Grunde gegangen. Als der waghalsige und uner-
schütterliche Cortez mit 600 Spaniern und 10,000 Eingebornen, welche
die drückende Oberherrschaft des eingedrungenen Aztekenstammes abschüt-
teln wollten, das weite, wohl verwaltete mericanische Reich und die
glänzende Hauptstadt Merico eroberte (1521), da bekamen die Folter-
werkzeuge, die Henkerbeile und die Scheiterhaufen eine schreckliche Ar-
beit. An einem einzigen Tage wurden 40,000 Mericaner niedergemacht,
und an einem andern 400 Edle langsam verbrannt. Zwar diese
». Rohden, Leitfaden. 30
TM Hauptwörter (50): [T6: [Insel Stadt Meer Hafen Handel Hauptstadt Land Küste Einw. Halbinsel], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
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Extrahierte Personennamen: Diaz Malacca
Extrahierte Ortsnamen: Europa Portugals Guinea Afrika Guinea Mozambique Sumatra Ceylon Socotara Ostindien
38 Iv. §. 5. Die Cananiter am Meer (Phönizier).
noch eben so reich, eben so mächtig, eben so einflußreich wie ehedem.
Denn ihre Heimath war daö Meer. Auf dem Lande brauchten sie
nur eine Stätte, wo sie wohnen, und Handelsstraßen, auf denen sie ihre
Maaren empfangen und versenden konnten. Auf dem Meer breiteten
sie ihre zahlreichen Flotten aus, und trugen das Silber von dem
spanischen Tartessus, das Zinn von England, den Bernstein von
Preußens Küsten, das Gold aus Mohrenland, das Elfenbein aus
Afrika und aus Ostindien, die Gewürze aus Ceylon oder gar aus
den Sunda-Inseln in die Häfen von Ezeongeber, Elath, Tyrus und
Sidon. Und von den Hafenstädten machten sich dann die langen
Züge der Karavanen auf und Maulthiere und Kameele trugen die
kostbaren Maaren, die ihre Kaufmannsschiffe von fernher brachten,
tief in die Länder hinein nach Aegypten (damals trieb Aegypten keinen
Seehandel), nach Arabien und Mesopotamien, nach Armenien und
Syrien. Juda aber mit allen seinen Nachbarstaaten brachte wiederum
alle seine Erzeugnisse, seine rohen Producto nach den gewerbthätigen
Cananltcrftädten. Dort wurde die Molle, die Gewebe, die Lein-
wand gefärbt und bereitet, und dann wieder hinausgesandt in die
fernen Colonicen auf den griechischen und italienischen Inseln und
Küsten, am afrikanischen und spanischen Ufer, und an allen erreich-
baren Punkten des Mittelmeers. Man muß das 27. Capitel des
Ezechiel lesen, um einen Begriff zu bekommen von der ungeheuren
Ausdehnung und Mannigfaltigkeit des Verkehrs und von der uner-
hörten Pracht und Ueppigkeit in den Palästen dieser „Kaufleute, die
Fürsten sind, und ihre Krämer die herrlichsten im Lande." Es hat
sich mehrfach in der Weltgeschichte dieselbe Erscheinung wiederholt.
Wir brauchen nur an Venedig und Genua zu erinnern im Mittel-
alter, an Holland vor zwei Jahrhunderten. Aber kaum jemals scheint
die Herrlichkeit eines kleinen das Meer beherrschenden Staates zu
solcher Höhe gediehen zu sein, wie die der phönizischen Städte im
Alterthum.
Wie schon oben bemerkt, war der Anfangspunkt und ursprüngliche
Hauptsttz der phönizischen Macht am mittelländischen Meer die Stadt
Sidon. Von Sidon aus gingen jene frühesten Colonieen, die schon zu
Mo sis und Josua's Zeiten nach Griechenland, Italien, Afrika und
Spanien gesendet wurden. Von Sidon wurde Tyrus gegründet, oder
richtiger die schon bestehende Stadt neu bevölkert und erweitert. Die
Tochter aber ward allmälig größer und reicher als ihre Mutter, und
in späterer Zeit war Sivon der Stadt Tyruö mehrfach unterthanig
geworden. Von Tyrus aus verbreiteten sich die phönizischen Haudels-
factoreien und Colonieen durch die dainals bekannte Welt. Die Erzeug-
TM Hauptwörter (50): [T6: [Insel Stadt Meer Hafen Handel Hauptstadt Land Küste Einw. Halbinsel], T11: [Reich König Land Stadt Jerusalem Jahr Syrien Sohn Aegypten Zeit], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte]]
TM Hauptwörter (100): [T89: [Stadt Spanien Insel Land Jerusalem Reich Afrika Jahr Araber Herrschaft], T4: [Handel Land Industrie Stadt Verkehr Gewerbe Ackerbau Viehzucht Deutschland Zeit], T79: [Wein Zucker Baumwolle Kaffee Getreide Tabak Fleisch Holz Wolle Handel], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume]]
TM Hauptwörter (200): [T186: [Stadt Insel Hauptstadt Tunis Handel Afrika Land Hafen Küste Algier], T126: [Land Handel Europa Meer Osten Zeit Westen Volk Deutschland Jahrhundert], T189: [König Reich Land Volk Israel Zeit Jahr Stadt Babylon Sohn], T43: [Haus Frau Kind Mann Arbeit Wohnung Familie Zeit Zimmer Kleidung], T127: [Volk Sprache Land Zeit Sitte Kultur Bildung Geschichte Bewohner Stamm]]
Extrahierte Ortsnamen: England Afrika Ostindien Ceylon Elath Tyrus Mesopotamien Armenien Syrien Juda Venedig Genua Holland Sidon Griechenland Italien Afrika Spanien
Xxv. §. 14. Blick in die Heldenwelt.
671
Einwohner kleiden sich jetzt, und essen und arbeiten und vergnügen
sich genau wie die Europäer. Aber durch die aufgeklebte moderne
Bildung läßt sich die Abnahme des einheimischen Geschlechts nicht
verdecken. Ueberall trifft das Christenthum auf abgelebte hinsterbende
Heidenvölker, denen es die Fackel der ewigen Wahrheit und des himm-
lischen Trostes noch an das Sterbelager trägt. Es bleiben also nur
noch die beiden großen Heidenreiche Ostindien und China (nebst Ja-
pan) übrig mit ihrer ungeheuren und überfließenden Bevölkerung, de-
ren Verringerung man so bald nicht wird merken können.
Ostindien ist bereits vollständig die Beute der englischen
Kaufmannschaft und Regierung geworden. Ein ungeheures Reich, un-
ter der Herrschaft der Groß-Mogul angesehen und mächtig, ist ohne viele
Anstrengung, ohne viel gefährliche Kriege und großartige Waffentha-
ten ganz allmälig und unmerklich in die Hände der Engländer über-
gegangen. Der bloße Druck der europäischen Civilisation hat die völ-
lige Auflösung dieses gewaltigen Reichskörpers zu Wege gebracht.
Die schwereren Kriege, welche die Engländer erst seit der Mitte des
vorigen Jahrhunderts in Ostindien zu führen hatten, waren nicht so-
wohl gegen die Eingeborenen als gegen die Franzosen gerichtet,
die sich auf der Küste Coromandel festgesetzt hatten und auch ihren
Antheil an der großen Beute haben wollten. Aber die Franzosen
sind mit ihren ausländischen Besitzungen nie recht glücklich gewesen.
Schon 1763 mußten sie sich als vollständig besiegt erklären, und mit ihren
Eroberungsplänen in Ostindien hatte es ein Ende. Dagegen wuchs
von diesem Augenblick an die Macht der Engländer zu riesenmäßiger
Höhe. Von Calcutta aus gewannen sie ganz Bengalen und sämmt-
liche Gangesländer, und der Groß-Mogul in Delhi ward von ihnen
abgesetzt und pensionirt. Dann überwältigten sie von Madras aus
das Deean, von Bombay aus die Länder der Mahratten und das
Jndusland. Jetzt reicht das ungeheure Gebiet der Engländer in Ost-
indien von Ceylon und Cap Comorin bis an den Himalaya und Hin-
dukusch; in den Landschaften des Bramaputra, nach Hinterindien dehnt
es sich in ununterbrochener Folge weiter aus, das Birmanenreich ist
ihre Beute, Malacca steht unter ihrem Einfluß. Schon finden sie
neue Stützpunkte im Archipelagus der Sunda-Inseln. Neuerdings
hat auch der Kampf begonnen, der auch China stückweise in ihre Ge-
walt bringen soll. Das ganze südliche Asien schien bereits unzweifel-
haft ihre Beute zu sein. Da plötzlich bricht im vorigen Jahre
(1857) jene furchtbare weitverzweigte, in ihren Folgen und ihrem
Ausgang noch unberechenbare Militärverschwörung aus, welche daß
TM Hauptwörter (50): [T6: [Insel Stadt Meer Hafen Handel Hauptstadt Land Küste Einw. Halbinsel], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte]]
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Extrahierte Ortsnamen: Ostindien China Ostindien Ostindien Ostindien Calcutta Bengalen Madras Bombay Ceylon Himalaya Hinterindien China